Magische Wildnis an der Ostsee

Am 29. Juni verlässt uns die Glasarche, die dann sieben Wochen lang im Hafen von Wieck lag. Sie reist weiter in den mecklenburg-vorpommerschen Teil des „Biospährenreservats Flusslandschaft Elbe“. Der Förderverein Nationalpark Boddenlandschaft hat das Kunstwerk in den vergangenen sechs Wochen mit Wissenswertem zu verschiedenen Themen begleitet. In der letzten Woche wollen wir Ihnen nun die Magische Wildnis an der Ostsee – unseren Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft etwas genauer vorstellen, der sich vom Darß über Hiddensee bis hin nach Westrügen erstreckt und seit 30 Jahren nun ganz besondere Naturschätze schützt.

Besonders augenfällig ist die Dynamik der Küste. Das Land, das am Weststrand oder dem Dornbusch auf Hiddensee abgetragen wird, landet am Darßer Ort, den Windwatten östlich von Zingst sowie südlich und nordöstlich von Hiddensee an. Besonders am Darßer Ort kann man von den Aussichtsplattformen sehr schön miterleben, wie aus unterseeischen Sandbänken innerhalb kurzer Zeit Dünen mit Bewuchs werden. Hier entsteht täglich ein Stück natürliche Wildnis ganz von selbst.

Die Dünen sind äußerst sensible Lebensräume. Dünengräser, wie Strandhafer oder die Sandsegge, Flechten und Moose bemühen sich stetig, den Sand festzuhalten. Gelingt ihnen das, dann gesellen sich bald auch Krähenbeeren dazu. Es dauert nicht all zu lange und erste Kiefern ragen ihre Äste in den Himmel. Die Humusauflage bleibt lange Zeit sehr dünn, weshalb sie auch durch jeden Tritt abseits der Wege zerstört werden kann.

Regelmäßig überflutet werden die Salzgraswiesen. Teilweise durch Beweidung teilweise ganz natürlich entstanden bieten sie hervorragende Brut und Rastplätze für die verschiedenen seltenen Stelzvogelarten, Gänse, Enten und Schwäne. Die Boddenlandschaft ist für viele Zugvögel eine wichtige Tankstelle vor der langen Reise in den Süden und Rastpunkt für den Frühjahrszug. Viele Menschen zieht es daher jeden Abend zu den Aussichtspunkten bei Zingst und Ummanz. Das Schauspiel, wenn jeden Abend Zehntausende Kraniche und Gänse auf ihre Schlafplätze einfliegen, ist sehr beeindruckend. Einige Kraniche bleiben ganze Jahr in unserer Region. Ihre Nester bauen sie in die unwegsamen Erlenbrüche.

Rund 80 Prozent des Nationalparks sind Wasserflächen. Die größte Besonderheit sind die Kaltwasser-Lagunen. Die Bodden sind extrem selten und stark gefährdete Ökosysteme. Eine große Bedeutung haben sie zum Beispiel als Kinderstube vieler Ostseefische, allen voran für den Hering.

Eingerahmt sind die Bodden von ausgedehnten Schilfgürteln. Auf den ersten Blick macht dieses undurchdringliche Dickicht einen eher eintönigen Eindruck. Dabei besiedeln hochkomplexe Lebensgemeinschaften mit vielen Hundert Tie. Hier fühlen sich vor allem Insekten wohl, darunter prachtvolle Schmetterlinge, schillernde Wildbienen, surrende Fliegen und bunte Libellen. Diese gut gefüllte Speisekammer wissen auch viele Vögel schätzen. Bei ihnen gehören Insekten und ihrer Larven zur Leibspeise, die sich an und in den Halmen verstecken. Nur das Schilf vom Vorjahr ist Sitzwarte, Nestbaumaterial und Vorratskammer in einem.

Das Prinzip „Natur Natur sein lassen“ ist inzwischen auch in den Wäldern des Nationalparks sichtbar. Seit 2017 werden Bäume nur noch gefällt, wenn sie die Besucher auf den Wanderwegen gefährden könnten. Die über Hundert Erlenbrüche auf dem Neudarß sind ehemalige Dünentäler. Doch nicht alle Bäume kommen mit nassen Füßen zurecht. Schwappt Hochwasser in den Wald oder bringt langer Regen erhöhte Wasserstände, dann stehen anschließend schon mal viele abgestorbene Bäume beieinander. Diese stecken voller Leben, denn Pilzen, Insekten und Vögeln sind sie willkommener und wertvoller Lebensraum. Am Ende sind sie auch noch Nahrung für die nachkommende Waldgeneration.

Das Nationalparkamt, mit seinem Sitz in Born, verwaltet und managet das Schutzgebiet. Auf vielen Kilometern gut ausgeschilderten Wanderwegen kann man den Nationalpark hautnah erleben. Viele Aussichtsplattformen geben Einblicke in die Werkstatt der Natur. Wer mehr wissen will, nimmt am Besten an geführten Ranger-Touren teil, liest die informativen Tafeln im Gebiet oder besucht die Ausstellungshäuser. Mehr Wissen rund im den Nationalpark finden Sie hier auf unserer Webseite oder im Buch „Magische Wildnis an der Ostsee“.

Aus der Luft geschaut